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Der flaschnsmid ordnung | Die Flaschner Ordnung | |||
Anno domini etc. septuagesimo nono des eritags vor sand Michels tag bey zeitn des edln, gestrengen und vesten ritter, herrn Larentzn Haidn, zu den Zeiten burgermaister, und des rats gemain der stat zu Wien, ist den maistern, den flaschnern gemainclich, hie irn mitburgern, durch ir vleissign bet und aufnehmen, irs handwerchs willen ain ordnung gemacht und aufgesetzt, als hernach geschribn stet. | Im Jahr 1479 wird am Dienstag vor Sankt Michaels Tag zur Zeit des edlen und gestrengen Ritter Larentzen Haidn Bürgermeister der Stadt Wien den Meistern und gemeinen Flaschner und ihren Mitbürgern nach deren fleissigen Bitten ihrem Handwerk willen eine Ordnung gemacht und aufgesetzt die hier geschrieben steht. | |||
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(1) Von ersten, welher sich auf dem handwerch zu maister setzen welle, das er urkund bringen sol, wie er mit geburd herkomen sey oder beweis es hie vor dem rat mit erbern leuten und sol auch ain elich weib haben und burgerrecht gewynnen, als von alter herchomen ist. | (1)Wer in diesem Handwerk Meister werden wolle, muß eine Urkunde bringen, daß er von "ehrbarem Stand" war oder dies durch ehrbaren Leute die für ihn bürgen, belegen. Er soll verheiratet sein und das Wiener Bürgerrecht besitzen. | ||
(2) Es mag auch ain yeder maister irs handwerchs nu furan drey geselln und ain lerjung haben und seczen! Und so yeder also drey geselln hat und ob dann mer geselln herchomen und furdrung auf dem handwerch begertn, die sulln auch gesetzt und gefurdert werdn an irrung. | (2) Ein Meister darf höchstens 3 Gesellen und einen Lehrbuben aufnehmen. Falls jeder Meister drei Gesellen hat und mehr Gesellen "herchomen" (herkommen) und arbeiten wollen, so sollen diese aufgenommen werden. | |||
(3) Und yeder maister sol hie nicht mer dann offen laden habn, darinn er die arbait seins handwerchs mag verkauffen und hingeben. | (3) Jeder Meister soll nicht mehr als einen offenen Laden haben, in dem er die Arbeit seines Handwerks verkauft. | |||
(4) Es sol auch kain flaschn, giesvas, vischkessl noch gesmeltz zaphn aus verzintn eisn machn, sunder sy solhs sais aus raben eisn smidn, darnach verzinen und dann solh arbait daraus machen. Und wo man ain arbait oder werch irs handwerchs dawider begreifft und ankumbt, sol man zu der stat handen nemen. | (4) Er soll keine Waren aus bereits verzinnten Eisen machen, sondern seine Waren sollen aus Roheisen sein, welches nach der Arbeit verzinnt wird. (Arbeiten aus bereits verzinnten Eisen waren den Klampfnern vorbehalten.) Wo man eine Arbeit findet, die gegen diese Vorschrift verstößt, wird die Arbeit eingezogen. | |||
(5) Es sol auch kain maister beraite arbait irs handwerchs, die auserhalb der stat hie gemacht ist, nicht herbringen in kain weis. Welher dawider thut, dem sol dieselbig arbait auch zu der stat handn genomen werdn. | (5) Es soll kein Meister vorgefertigte Arbeiten, die außerhalb der Stadt hergestellt wurden, in die Stadt bringen. Wer dagegen verstößt, dem sollen diese Arbeiten eingezogen werden. | |||
(6) Item, so ain maister umb werchzeug ausziehn will, der sol das vorhin in das handwerch verkunden und zu wissn tun, und welher dann sein gelt mitschikht und wagnuss tat, der sol dann in demselben werchzeug tail mithabn und nemen nach anzal seins gelts. | (6) Wen ein Meister verreist um Rohstoffe einzukaufen, so soll er dies vorher den anderen Handwerkern verkünden, und diese sollen dann die Möglichkeit haben, Geld mitzuschicken und auch Anteil zu haben am Einkauf und am Risiko. | |||
(7) Item, was aber solhs irs werchzeugs von burgern oder gessten herbracht wirdet, der sol das gantz handwerch angeboten werden. Und mugen auch den samentlich miteinander kauffn und yedem gevalln, was er ungeverlich zu bezaln hat und vermag, wie er des an dem verkauffer stat findet. Welh des aber nicht vermocht zu bezaln, so mugen dann die andern maister wol kauffn und seinen demselbn kainen tail schuldig volign zu lassn ungeverlich. | (7) Wenn Waren von Händlern gebracht werden, so soll jeder Meister die Chance haben, nach seinen Möglichkeiten, Waren zu kaufen. Wenn jemand nicht kaufen kann oder will, dessen Teil kann unter den anderen Meistern geteilt und verkauft werden. | |||
(8) Item, es sulln auch die maister jerlich under in erwelln zwen beschawmaister, die erber und getrew sein und die des nagsten rattags nach weihnachten jerlich für den rat hie bringen und suln dann daselbs gehorsam thun und swern, das sy dem armen als dem reichen getreulich und ungeverlich beschawn welln; auch die versuhn, so sich auf irem handwerch hie zu maister setzn welln ob sy maister gesein mugen oder nicht. Und was dieselbn beschawmaister also unrecht und valsch arbait finden, das sulin sy mit ains burgermaister diener nemen und das ainem burgermaister antwurten zu der stat handen zu gemainen nutz. Sprech aber ainer, man hirt im unrecht beschawt und wolt das werch gerecht machen, daz sulln sy im stat tun von den andern maistern alln. | (8) Es sollen die Meister unter sich, jährlich zwei Beschaumeister wählen, die ehrbar und getreu sind. Diese werden vereidigt. Zu ihren Aufgaben zählen auch die Meisterprüfungen. Was die Beschaumeister als schlechte Arbeit befinden, das wird mit einem Mitarbeiter des Bürgermeisters eingezogen und der Stadt zum allgemeinen Nutzen übergeben. Wenn ein Meister sagt man hätte ihn ungerecht behandelt und er verlangt Gerechtigkeit, so soll man die Sache in Anwesenheit aller Meister verhandeln. | |||
(9) Es sulln auch die maister kain flaschn noch ander zutanew arbait nicht zumachen, nur sy seien vor beschawt, damit sy innen als gut seien als aussn, dadurch nymands betrogen werde. | (9)Geschlossene Gegenstände dürfen erst geschlossen werden, wenn sie vorher beschaut wurden, um sicherzugehen, daß niemand betrogen wird und die Arbeit innen genau so gut wie außen ist. | |||
(10) Doch hat im der rat gwalt vorbehalten (doch
hat sich der Rat das Recht vorbehalten), die ordnung zu verkeren, zu mynnern,
ze mern oder gantz zu vernichten, wie und wann sew des (wie und wann das
sei); des verlust an alle irrung.
Wien, 28. September 1479 |
(10)Der Rat behält sich das Recht vor diese
Ordnung zu ändern, zu erweitern, zu kürzen oder aufzuhebn.
Wien, 28. September 1479 |
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